Oktober
Martinszüge 2012 – Zint Mertes es add wedde do!
Ein Bericht über den jedes Jahr stattfindenden musikalischen Marathon (Martin Schlu, Stand: 16.11.12)
Seit bald zwanzig Jahren stellt unsere Gesamtschule zwei Wochen lang täglich bis zu vier Kapellen, die Kindertagesstätten, Kindergärten, Grundschulen und Stadtteile bei ihren Martinszügen begleiten. Waren Mitte der 1990er Jahre nur drei große Züge zu spielen (Godesberg, Beuel und Innenstadt ), gibt es seit ca. 2000 die Tendenz, daß möglichst jeder Kindergarten, jede KiTa und jede Grundschule ihren eigenen Zug macht. Das hat Auswirkungen für die Logistik und so erscheint dieser Bericht als Tagesprotokoll, der klar macht, was unsere Orchestermitglieder im November in der St.Martins-Zeit leisten.
Montag, 5.11. Der erste Tag!
Der erste Zug der Saison ist die Thomaskirchengemeinde in Godesberg, die normalerweise eine halbe Kapelle mit halbem Satz bekommt (ca. fünf Musiker für ca. € 75.-). Weil aber so viele unserer Jugendlichen diese Kirche kennen und es gute Kontakte zur Gemeinde gibt, haben sich zwölf Kinder und Jugendliche eingetragen. Parallel dazu spielen vier Schüler aus dem Jg. 5-9 einen Kindergarten in Dottendorf (drei Bläser mit Akkordeon). Im Vorfeld war zwar Regen angekündigt, aber daß es um 17:00 Uhr so schifft, hätte auch keiner gedacht. Das „Spatzennest“ dreht daher auch nur eine Runde um den Block und in der Thomaskirche warten zehn Bläser und zwei Schlagzeuger im strömenden Regen halbwegs geschützt, daß der Zug endlich losgeht. Die Martinswecken für alle habe ich schon entgegengenommen, rücke sie aber nicht vor dem Zug raus, damit keine Krümel in dr‘ Trööt komme… Auf einmal reitet Sankt Martin durch das Gebüsch, zweihundert Kinder, Eltern und Betreuer im Laufschritt hinterher und bis wir als Kapelle einen Platz im Pulk gefunden haben, sind wir schon dreihundert Meter gejoggt. Der Weg ist rutschig, die Tuba wird durch den Matsch balanciert und es gibt zwei kleinere Pannen: ein Ventil (von fünfen) gibt den Geist auf und Elisa kommt aus irgendeinem Grund ohne Marschgabel und Notenhalter zurück . Einen Tag später ruft die Leitern an und meldet die Teile als gefunden. Als Einstand ist dieser Härtetest nicht schlecht – viel chaotischer geht eigentlich nicht mehr, aber die Kapelle klingt auch im Regen noch gut und wir werden für das nächste Jahr wieder gebucht. Klatschnaß fahren wir um halb sieben in die Schule, trocknen Instrumente, Jacken, Haare und Kinder und wer sich im Vorfeld Reserveklamotten zurecht gelegt hat, ist fein raus. Um halb acht bin ich zuhause – Schule von halb acht bis halb acht wird die nächsten zwei Wochen normal sein.
Am Abend schreibe ich gegen 22.00 Uhr noch den Tagesplan für Dienstag (drei geplanteEinsätze), als mich eine E-Mail von Radio Bonn/Rhein-Sieg erreicht: In Sankt Augustin-Mülldorf ist der KiTa „Rasselbande“ die einzige Musikkapelle ausgefallen und da die Redakteure beim Googlen von „Martinslieder“ und „Bonn“ sehr schnell auf die Gesamtschule gestoßen sind, werde ich gefragt, ob ich es hinkriege, irgendeine Kapelle zu organisieren. Ein kurzer Überchlag ergibt, daß man sicher zwei Leute schicken kann, ohne den Ippendorfer Zug und die „Hollerburg“ zu gefährden und der Redakteur freut sich. Ich beende das Gespräch mit dem Hinweis, daß ich nach der Frühaufsicht um halb acht am nächsten Morgen die Lieder brauche, damit ich entsprechend Noten vorbereiten kann, denn das normale Schulgeschäft geht ja weiter. Der Feierabend beginnt um 23:00 Uhr.
Dienstag, 6.11., zweiter Tag.
Nach der Frühaufsicht klingelt das Handy und der Redakteur Volker ist dran. Er sagt, er würde mir ein paar Fragen stellen, aber es wäre eine tolle Sache, daß die Gesamtschule einspringen würde. Da sind wir aber schon auf Sendung und ich schaffe es noch gerade im Live-Interview nicht den alten Schulnamen zu benutzen, sondern den neuen . Der Redakteur deutet an, daß ein Reporterteam nach Augustin kommen würde – sollen sie. In der Pause holen sich alle Beteiligten die Laufzettel für den Tag, klären den Transport von Trommeln, Instrumenten und Kindern nach Ippendorf, St. Augustin und in die Rheinaue und da ich danach meinen Deutsch-Kurs habe, nehme ich meinen Kaffee in die Klasse – die Schüler wissen, daß man in diesen Tagen oft noch nicht mal aufs Klo kommt und ich habe einen Grund mehr, mich über meine Kollegin zu freuen, die mit mir den Deutsch-Kurs unterrichtet. Daß der Unterricht bis 14:00 Uhr durchgeht, ist ja normal, aber daß der Elternsprechtag auch noch stattfindet, nervt etwas. Immerhin bleibt um halb fünf noch eine halbe Stunde Pause für Hemdwechsel, einen Kaffee und ein paar Minuten Pause, denn wir müssen erst um halb sechs in Ippendorf sein. Nun weiß ich auch, warum Marek unbedingt nach Ippendorf wollte, denn er wird freudestrahlend von seiner alten Klassenlehrerin begrüßt und so etwa passiert auch öfter. Später beim Zug singen die Kinder laut und schön, die Stimmung ist gut, wir werden geknipst und gefilmt und gefragt, ob wir nächstes Jahr wieder….
Wir können zusagen, wenn klar ist, wann, denn an drei Tagen sind wir für 2013 schon ausgebucht. Da die Schulen dies aber wissen, gucken sie mittlerweile erst auf unsere Terminseite und organisieren danach ihren Termin und bestellen ihren Sankt Martin – auch Pferde und Martins haben in diesen Tagen Hochkonjunktur.
Der Zug ist um 19:00 Uhr zu Ende, die letzten Kinder liefere ich kurz nach acht in Rüngsdorf und Friesdorf ab, bevor ich nach Hause fahre. Schule von halb acht bis halb neun! Danach wird noch Jasmin angerufen, die mit Eric, Yannick und der Kollegin Lagemann nach Augustin gefahren ist. Sie erzählt, daß die „Rasselbande“ hin und weg war, die Reporter haben gefilmt und alle interviewt, die Gruppe soll nächstes Jahr wiederkommen und ich soll morgen um halb acht mal Radio hören. Die Kinder, die die „Hollerburg“ gespielt haben, werden mir morgen Bericht erstatten – zum Anrufen ist es nun zu spät. Der Tagesplan für den Mittwoch wird geschrieben und ist um halb zwölf fertig – Feierabend!
Mittwoch, 7.11. , dritter Tag.
Vor dem heutigen Tag hatte ich ein bißchen Angst, denn zwei Stammkunden wollten jeweils zwei Kapellen. In Vilich stellen wir für die Grundschule seit Jahren die komplette Musik und die Kessenicher Till-Eulenspiegel-Schule hat so viele Schüler von uns erzogen, so daß wir da auch nicht absagen konnten und die verlassen sich seit über zehn Jahren auf uns. Durch ein ausgetüfteltes System haben wir vier Kapellen besetzen können, jede mit mindestens einem Schlagzeuger. Um halb neun schalte ich das Radio ein und höre einen Bericht, in dem die Gesamtschule und deren Martinskapellen in den höchsten Tönen gelobt werden, etwa nach dem Motto“ die Retter des Augustiner Martinszuges“. Das ist unsere Reklame, nicht die Schulkonzepte.
In Kessenich soll Sahel zum erstenmal eine Kapelle leiten, was noch nicht hunderprozentig klappt, so daß Alex mit seiner Trommel herüberwechselt und für ein gleichmäßiges Tempo sorgt. Die andere Kapelle besteht aus routinierten Bläsern. Nach dem Zug steht man noch zusammen, hat eine große Kapelle und freut sich und in der TES haben wir immer Wecken und Getränke bekommen. Alex meldet sich um acht Uhr – die Schulleiterin fragt für nächstes Jahr… der Termin kommt noch.
In Vilich habe ich ein bißchen Zeit mit der Rektorin einen Schwatz zu halten, denn alle sind da – nur Sankt Martin nicht. Das kommt vor. In Friesdorf haben wir schon mal über eine Stunde gewartet, weil der Pferdetransporter einen Schaden hatte, es hat schon Probleme beim Spritzen der Pferde gegeben, denn die werden mit Medikamenten beruhigt, damit sie der Lärm nicht jeck macht. Irgendwann sind Pferd und Sankt Martin da, der Zug geht los und da Vilich nicht so groß ist, geht man entsprechende Schleifen. Beide Kapellen funktionieren, obwohl sie nur aus vier oder fünf Bläsern plus Trommel bestehen und die Kinder singen laut und textsicher. Besonders Mila macht eine gute Figur – eigentlich spielt sie E-Bass, haut die (kleine) dicke Trommel aber mit einer Verve und einem Takt, daß man die Kapelle weit hören kann. Immerhin sind zwischen unseren beiden Kapellen etwa sechzehn Klassen – also etwa 400 Kinder und die bilden eine über hundert Meter lange Schlange. Die Rektorin bittet auch wieder fürs nächste Jahr zu gleichen Konditionen (sie sind schon recht gut). Oft können wir so einen Spagat aber nicht machen. Als ich nach Hause komme ist halb neun und ich habe keine Lust mehr noch etwas zu tun, doch da liegen noch Hefte – meine Frau hat mich im Prinzip seit dem Wochenende nur frühmorgens und spätabends gesehen.
Donnerstag, 8.11. , vierter Tag
Der Tagesplan wurde heute früh erstellt, weil ich gestern zu kaputt war. Für heute ist wieder eine Grenzsituation angesetzt, denn der zentrale Beueler Zug mit ca. 2000 Kindern bucht uns seit Ewigkeiten, die Beueler wollen uns im Sommer und im Karneval, zahlen gut und regelmäßig und haben auch den Anspruch auf zwei gute Kapellen. Blöderweise haben die Friesdorfer aber im letzten Jahr ihren Zug auf den 8. gelegt, der traditionell vor dem 9.liegen muß, damit sich Synagogengedenkende (Reichspogromnacht) und Martinslieder krähende Kiddys nicht gegenseitig über den Weg laufen. Das wußten die Friesdorfer aber nicht. Da viele unserer Schüler aus Friesdorf kommen, wird der Zug so groß, wie zwei Beueler Kapellen zusammen – insgesamt sind über vierzig Musiker von uns in diesen Tagen im Einsatz. Unsere junge Sekretärin kommt ins Büro und berichtet, die Polizei habe mein Portemonnaie. Ich habe es noch gar nicht vermißt, denke, es ist in Vilich aus der Tasche gefallen. Die Orga gibt mir zum Glück frei, daß ich eben ins Präsidium nach Ramersdorf fahren und es holen kann. Es fehlt nur ein bißchen Geld, die Papiere und Karten sind alle da. Wie sich später herausstellt, lag es im Ramerdorfer Kreisel – offensichtlich habe ich gestern beim Ausladen das Teil aus der jacke geholt, auf dem Autodach abgelegt und da ist es in der ersten scharfen Kurfe heruntergeflogen. Sankt Martin hinterläßt Spuren… Die AG Improvisation findet nicht statt, weil alle Beteiligten gleich spielen müssen, dafür frei bekommen haben, und so habe ich eine Stunde Pause. Eric geht in die Bäckerei, es gibt Kaffee und so habe ich die erste Pause seit Montag. Himmlisch!!! Die Beueler hatten vor genau hundert Jahren, 1912, ihren ersten Martinszug und manche Gewohnheiten sind geblieben, z. B. der Startplatz. Dort gibt es einen Parkplatz, an dem ich seit Jahren mein Auto abstelle und damit den Ort markiere, an dem wir uns treffen. Vorab gibt es von der Zugleitung das Geld, gegenüber steht Andreas Berger mit den Bläsern des KFG-Orchesters, die Beueler Stadtsoldaten sind auch schon da und es ist ein allgemeines Treffen, Erzählen und Klaafen, denn alle Musiker kennen sich seit zig Jahren. Es stört auch keinen, daß Sankt Martin die ganze Zeit herumsteht – immerhin ist er ja da und kann nicht mehr weglaufen. Auf einmal geht es los, die erste KFG-Kapelle kommt vorbei – und dann nix. Großes Loch! Ratlosigkeit! Was ist los? Es wird telefoniert und dann erfahren wir es: das Pferd ist nicht da. Was tun? Sankt Martin entscheidet schließlich, daß wir losmüssen (fünfzig Minuten Verspätung) und geht böse guckend zu Fuß voran. Später wird bekannt, daß dem Sankt Martin sein Pferd ausgebüxt ist und erst wieder eingefangen werden mußte… Jetzt ist allerdings die Marschordnung in Unordnung geraten und so kommt es, daß wir auf einmal doch eineKapelle bilden. Fast im Laufschritt geht es auf die Strecke, durch Beuel und die Innenstadt hindurch, und als das Finale im Stadion ist, haben wir zwanzig Minuten wieder herausgeholt. Zum Abschluß spielen alle Kapellen (ca. 120 Musiker) zusammen und weil Andreas Berger mit dem KFG die größte Kapelle hat, darf er auch dirigieren. Um acht sind wir an der Schule, um neun bin ich Zuhause. Fini! Sense! Aus! Keine Hefte, keine Vorbereitung mehr!!! Die Zehner mache ich morgen aus dem Hut.
Freitag, 9.11. , fünfter Tag
Der Tagesplan wurde gestern nicht mehr erstellt und muß also heute auf jeden Fall um zehn fertig sein, weil dann die Kinder ihre Zettel abholen werden. Der General-Anzeiger schreibt über den Beueler Zugund das ausgebüxte Pferd und das Foto von Max Malsch zeigt singende Kinder mit Beethoven-Laternen. Das wäre ein Foto für die Öffentlichkeitsarbeit. Um zehn nach sieben bin ich an der Schule und beginne mit dem Tagesplan, komme aber nicht sehr weit, weil ja um halb acht Frühaufsicht ist. Die Kollegin erzählt, daß der Kindergartenzug, in dem ihr Kind gestern mitlief, doch etwas jämmerlich klang und fragt, ob wir nicht nächstes Jahr ein paar Bläser…? Zwischen Tür und Angeln wird Alex gebeten, am Tagesplan weiterzuschreiben und als ich zur Pause wieder ins Büro komme, ist er fast fertig. Es fehlen für Kessenich nur noch die Angaben zu den Lagermöglichkeiten für die Instrumentenkoffer, also wird die Zugleiterin angerufen und klargemacht, daß die Kinder im Restaurant „Sassela“ die Koffer lagern können. Sie bekommen an der Nikolauskirche auch ihren Wecken und es ist klar, daß eine Ehemalige von uns, Jasmin, den Zug leiten wird. Die geht seit zehn über Jahren mit und weiß, wie es geht. Es zeichnet sich ab, daß ich um kurz nach zwei den ersten Nachmittag seit einer Woche zuhause sein kann – morgen ist zwar nach Tag der Offenen Tür, aber das wird nebenbei erledigt. Als ich kurz vor halb drei aus dem Orchesterbüro komme, steht da noch eine einsame Trommel, die nach Kessenich müßte, damit sie dort gespielt werden kann. Zum Glück kann ich Theo anrufen und weiß, daß er sich darum kümmern wird, denn seine Tochter, die Kessenich heute abend leitet, barucht auch einen Schlagzeuger mit Instrument. Der kriegt natürlich Strafpunkte und Abzüge, weil es sein Job ist, dafür zu sorgen, daß er auch was zum Trommeln hat. Pänz!!! Trotzdem sind fast zwei Stunden Luft bis zum Hofgarten. Als ich, wie angekündigt, um 16:45 Uhr in das erste Deck der Uni-Tiefgarage einbiege, steht dort bereits die komplette Mannschaft und innerhalb von zehn Minuten sind alle startklar. Einige hundert Kinder stehen bereits vor der Uni, weitere strömen dazu und wir spielen uns warm, probieren ein paar Besetzungsänderungen aus und als es losgeht, haben wir uns in zwei Kapellen geteilt. Die anderen Kapellen kann man schon nicht mehr sehen, sonder nur hören und es sind bestimmt einige tausend Kinder, die durch die Bonner Fußgängerzone laufen. Manchmal läuft jemand durch die Kapelle, aber sonst gibt es keine Störungen und die Kinder von Liebfrauen- und Beethovenschule singen die meisten Lieder ton- und textsicher mit – da ist in den letzten Jahren offensichtlich viel gesungen worden. Am Abend werde ich an den Martinsausschuß eine Mail schreiben und vorschlagen, ein paar Lieder mehr aufzunehmen als nur die drei im Programm abgedruckten. Singen macht ja auch mehr Spaß, wenn man mehr Lieder kann.
Zum Finale laufen wir auf die Rathaustreppe, spielen dort bis der Sankt Martin mit dem Oberbürgermeister und dem Stadtdechanten hochkommen und ihre kurzen Reden halten (man kennt sie auch als „Bonner Dreifaltigkeit“: St. Martin, St. Jürgen und St. Wilfrid). Danach wird das Brot geteilt und als alles vorbei ist, ziehen wir spielend durch das Stockentor in die Tiefgarage. Dort stehen die Eltern, nehmen ihre Kinder in Empfang und bringen die nach Hause, die nicht abgeholt werden konnten. Wir haben ziemlich tolle Eltern, stelle ich da fest und daß ich heute früher als sonst zuhause bin, liegt auch an ihnen. Wie Kessenich geklappt hat, weiß ich noch nicht, werde es aber sicher erfahren und eins von den vielen Bildern, die Alex, Arnulf und Elisa unterwegs gemacht haben, ist auch oben zu sehen. Morgen ist spielfrei – ich muß nur zum Tag der Offenen Tür in die Schule und am Abend beginnt der Sitzungskarneval im Brückenforum, aber das ist eine andere Geschichte. (Nachtrag am Sonntag: Der Kessenicher Zug wurde mit neun Leuten gespielt und die haben sich ganz wacker geschlagen – für 2013 sollen wir wiederkommen und dann liegt dieser Zug auch nicht mehr parallel zum Hofgarten).
Samstag, 10.11. Tag der Offenen Tür
Früher hatten wir diese schulische Verkaufsveranstaltung immer Mitte bis Ende November, wenn wir aus dem Gröbsten heraus waren. Dieses Jahr haben wir durch die Martinszüge überhaupt nichts vorbereiten können und so bin ich ich um nein, eine Stunde vor Beginn, im Musikraum, stelle schnell ein Dutzend verschiedene Instrumente spielfertig hin und schaffe es gerade noch, unser Konzept 2012 fünfzigmal zu kopieren, dann sind auch schon die ersten Eltern da. Wie immer wird gefragt, ob wir unsere Schüler wirklich selber ausbilden (ja, tun wir), ob Schlagzeug als erstes Instrument geeignet ist (nein, ist es normalerweise nicht) und was die Grundausbildung im Monat kostet (30 Euro incl. Unterricht und Instrument). Etwa sechzig Kinder und Familien probieren Blas- und Streichinstrumente aus und besonders die Streichinstrumente werden oft in die Hand genommen. Der Hingucker sind die beiden Kontrabässe, da will fast jedes Kind mal ausprobieren und jeder, der dran vorbeikommt, zupft einmal die Saite. Zum Glück ist Alex da und schmeißt den Laden, die Kollegen sind auch da und machen Werbung für den Chor, aber die Kinder und Eltern fragen zu 90% nach unserem Instrumentalkonzept. Die letzten Eltern schmeiße ich um zwei Uhr raus und nun ist Wochenende. Am Abend gehen noch ein paar Mails zwischen dem Bonner Bettler und mir hin und her. Die Vorschläge werden für gut befunden und der Stadtdechant schreibt mir am Sonntag auch noch eine liebe Mail.
Sonntag, 11.11.
Am Sonntag ist der erste richtige Ruhetag! Dieses Jahr habe ich mit dem 11.11. nichts am Hut. Gar nichts! Nur ein paar E-Mails wegen Schule und Unterricht – das bißchen Unterricht wird bis zum 20. irgendwie nebenbei organisiert.
Montag, 12.11. , sechster Tag
Am Montag ist der Dottendorfer Zug, das zweite Highlight nach dem Hofgarten. Etwa 1000 Kinder sind am Start und wir stellen zwei Musikkapellen. Die Dottendorfer schmücken die Straßen mit zahlreichen Lichtern und weil das fast alle tun, ist dieser Zug der schönste, wenn auch nicht der größte. Jacomo hat einen Termin wg. Konfirmationsunterricht und so springt seine Mutter ein und trommelt für ihn. Etwa dreißig Mann sind bei uns beteiligt und später am Feuer stoßen die anderen Kapellen dazu und nun spielen etwa 100 Musiker zusammen – alle haben unserer Noten und dann klappt das ganz gut. Florian geht zum ersten Mal mit, seine Mutter zückt das Handy und macht Aufnahmen und später kommt noch eine Mail, ob wir denn auch in Mehlem….? Man wird sehen, ein paar Tage sind für 2013 ja noch frei.
Dienstag, 13.11. , siebter Tag.
An diesem Tag habe ich eine Auszeit, weil ich dachte, daß der nächste Elternsprechtag heute wäre – tatsächlich ist er aber eine Woche später. Trotzdem findet der Zug ohne mich statt und ie Schüler gehen in mittlerer Stärke zu einer KiTA in der Innenstadt (Nähe Arithmeum, Lennéestraße) und spielen. Es scheint gut geklappt zu haben – sonst wüßte ich das bereits. Ich werde aber zur Sicherheit noch nachhören und den Termin für 2013 klarmachen. Übrigens haben wir momentan täglich Anfragen für 2013 und 2014 und wir können schon absehen, daß es 2013 ähnlich wird wie dieses Jahr.
Mittwoch, 14.11. , achter Tag.
Der General-Anzeiger meldet, daß das Bühnenprogramm zum Weihnachtsmarkt in der Innenstadt gestrichen wurde, weil die Bühnenmiete für € 35.000.-der Stadt zu teuer wäre. Merkwürdige Ökonomie: die Bühne, die immer am Sterntor aufgebat wurde, kostet beim Kauf höchstens 10.000 (mit allem Drum und dran) – irgendwas macht die Stadtverwaltung gründlich falsch. Wir hätten fünf Termine gespielt, zwei mit der Bigband, „Brassrock“, je einen mit Streichern, Unterstufen- und Mittelstufen-Band.
Heute haben wir übrigens alle frei, weil wir für diesen Tag keine Anfrage hatten und es war eine Big-Band-Probe angesetzt, weil wir ja am 24.11 den Termin in der Bundeskunsthalle haben. Zur Probe um halb sechs erscheinen aber nur sehr wenige. Von dreien weiß ich, daß sie morgen eine schwierige Arbeit schreiben, die restlichen fünf haben vielleicht nur geschwänzt, weil sie mal eine Auszeit brauchen – zu verstehen ist es. Dann müssen wir das Programm eben am 21. fertig bekommen.
Donnerstag, 15.11. , neunter Tag.
Traditionell fahren wir am Ende der Martinssaison zu dem Kinderheim „Alte Eiche“ nach Meckenheim, denn dort leben schwerstbehinderte Kinder, die nie in ihrem Leben auf einen normalen Martinszug gehen können. Daher kommt der Martinszug immer dorthin. Da wir im letzten Jahr mit den Bläsern im Wohnraum gespielt haben und dort durch die Lautstärke fast das Dach weggeflogen wäre, haben wir dieses Jahr die Streicher mitgenommen. Einen Neunsitzer habe ich in einer Freistunde gemietet, drei Eltern fahren ihre und andere Kinder nach Meckenheim und als wir um 17.00 Uhr dort sind, stehen tatsächlich zwölf Streicher und acht Bläser und Trommler in der Eingangshalle. Die Streicher spielen ihre Martinslieder in D-Dur und es klingt klasse. Danach begeben sich Kinder, Betreuer, Bläser und Streicher nach draußen und nun spielen die Bläser die üblichen Martinslieder in Es-Dur und die Streicher singen begeistert mit. Am Ende singen wir noch am Martinsfeuer und die Heimleitung gibt uns eine Kiste Martinswecken und Plätzchentüten als Dankeschön mit.
Bis sieben Kinder zuhause abgesetzt wurden, dauert es ein bißchen und erst gegen acht Uhr stelle ich den Bus in einer Seitenstraße ab und muß ihn morgen bis halb acht wieder abgegeben haben – dann beginnt meine Frühaufsicht. Zum Glück hat mich die Schulleitung n den letzten zwei Wochen nicht noch mit Vertretungsunterricht eingedeckt – das wäre wohl nicht mehr gegangen. So bleiben für morgen nur noch ein paar Hefte und die Zehner werden wieder improvisiert.
Am Abend schreibt ein engagierter Vater, er hätte einen Totalschaden am Auto gehabt, würde aber morgen (Troisdorf) trotzdem Taxidienste machen. Sankt Martin ist kein gutes Pflaster für Autos – vor zwei Jahren hat mir am Kessenicher Zug ein Dödel auch das rechte Vorderrad abgemäht und erst vor einem halben Jahr habe ich vor Gericht recht bekommen…
Ohne Elternhilfe sind diese zwei Wochen nicht zu überstehen!
Freitag, 16.11. , zehnter Tag.
Noch eine Tradition: Wir fahren seit etlichen Jahren immer nach Troisdorf-Bergheim. Ursprünglich wurden wir als Verstärkung der Troisdorfer Big-Band „Trojazz“ gebucht, stellen aber schon seit Jahren eine namenlose Kapelle, doch heute erscheinen wir als „Gymnasium Godesberg“. Das ist fast so schön wie ein Doktortitel aus der Copy-Paste…
Um fünf Uhr sind wir fast die ersten auf dem Elly-Heuss-Knapp-Platz, bis auf die Kollegen des KFG, die sich auch schon warmspielen. Es ist erheblich kühler geworden und man könnte jetzt gut die Fingerlinge gebrauchen, wenn man sie dabei hätte. Bei diesen Temperaturen werden die Lieder etwas langsamer gespielt, weil es sein kann, daß die Ventile nur langsam wieder hochkommen – dann fällt auch schon mal ein Ton aus. Um halb sechs hat sich der Platz mit etwa 1500 bis 2000 Kindern gefüllt. Bergheim ist Neubaugebiet mit vielen Familien und das merkt man an der Kinderzahl. Mittlerweile sind die Trojazzer auch gekommen, vor uns sitzt Sankt Martin auf dem Schimmel und der Zug setzt sich in Bewegung. Ich habe in Erinnerung, daß wir immer vier Durchgänge brauchen, bis wir am Feuer sind (acht Lieder mal drei Strophen), also knapp hundert Strophen Martinslieder. Dort versammeln sich die beteiligten Kapellen und spielen zusammen – auch das ist eine Tradition, die mittlerweile immer mehr gepflegt wird und außerdem ist es am Feuer kuschelig warm.
Nachdem alles vorbei ist, hört man deutliche Jazzklänge und mit der „Bourbon Street Parade“ machen sich die Trojazzer auf den Rückweg. In Bergheim ist es nämlich Tradition, daß nach dem Martinszug gejazzt wird und wer die Stücke kann, spielt sie mit. Also jazzen und improvisieren einige zig Musiker kollektiv. Um sieben sind wir beim Auto und stellen fest, daß es wirklich kalt war: das Thermometer zeigt drei Grad. Nach zwei Wochen ist man froh, daß bald alles vorbei ist und für das nächste Jahr haben wir dem Veranstalter schon Verträge mitgebracht, auf denen wir richtig geschrieben sind – ein paar Termine sind noch frei.
Samstag, 17.11. , elfter Tag.
Diesen Zug werden unsere Schüler alleine bestreiten, weil ich am Sonntag einen wichtigenFamilientermin habe, der am Samstag abend vorbereitet werden muß. Trotzdem kann man schon eine Bilanz ziehen: 21 Kapellen wurden gestemmt, die jede pro Einsatz etwa hundert Strophen gespielt haben. Vierzig Kinder und Jugendliche waren beteiligt, einige zum ersten Mal, andere nach langer Zeit wieder. Nur ein Kind ist krank geworden, wir hatten bis auf einen Tag trockenes Wetter und keine nennenswerten Schäden. Zwei Wochen lang waren wir Botschafter für unsere Schule, es gab Berichte in Presse und Rundfunk über uns und wir haben weit über zweitausend Euro eingespielt: die Hälfte wird für Instrumente und Orchesterbedarf ausgegeben, ein Viertel wird als Taschengeld ausbezahlt und der Rest geht am Montag drauf, wenn wir mit allen Beteiligten essen gehen. Auch das gehört dazu.
Planung 2013
Los geht es immer Anfang November. Damit alles klappt, machen wir am Dienstag vor dem ersten Einsatz in der 5. Stunde die Generalprobe auf dem Sportplatz. Mitzubringen sind dann das Instrument, die Marschgabel und die Notenkarten, evtl. ein Regenschutz. Wer genug mitgespielt hat, geht mit uns am Montag nach dem letzten Zug essen, wer mehr als drei Züge gespielt hat, bekommt ein bißchen Taschengeld. Formulare zur Unterrichtsbefreiung für die 7. Stunde gibt es im Orchesterbüro. Das Merkblatt zur Orga gibt es hier,
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